Mit Eveline Breitwieser-Wunderl (Diversity & Inclusion @ Porsche Holding) spreche ich über das Thema Empowerment. Ein besonderer Schwerpunkt liegt in unserem Gespräch auf female empowerment in der männerdominierten Automotive Branche.
Liebe Frau Breitwieser-Wunderl, Sie posten immer wieder mal Themen zu Thema Empowerment. Ich würde Sie gerne zu ihren eigenen Erfahrungen fragen, wie sie selbst zu dem Thema stehen und wie sie es auch selbst leben, auch im Unternehmen?
„Als Frau in der Automobilbranche“, das war zu Beginn meiner Karriere schon interessant, leitet Frau Breitwieser-Wunderl unser Gespräch ein. Zu Beginn der Karriere als junge Frau nimmt man bestehende Hürden kaum wahr – Gleichwertigkeit erschien selbstverständlich. Mit zunehmendem Alter zeigen sich dann Geschlechterungleichheiten – insbesondere strukturelle Unterschiede im Karriereverlauf von Frauen und Männern werden sichtbarer.
Ein persönlicher Wendepunkt war für Frau Breitwieser-Wunderl ihre eigene Beförderung 2018, die sie stärker für das Thema Empowerment sensibilisierte. Besonders prägend war für sie die Unterstützung durch andere Frauen im Unternehmen – ältere Kolleginnen als Role Models sowie ein starkes weibliches Netzwerk.
Sie betont, wie wichtig Empowerment und gezielte Förderung von Frauen sind, da viele Frauen trotz Potenzials zögern, Führungsrollen zu übernehmen – häufig durch Unsicherheiten und mangelndes Zutrauen („Bin ich zu alt?“, „Meine Kinder sind zu jung?“). Frau Breitwieser-Wunderl betont die Bedeutung von gezielter Sichtbarmachung weiblicher Talente im Unternehmen. Viele dieser Frauen würden ohne aktive Unterstützung und gezieltes Empowerment „unter dem Radar“ bleiben.
Ein gutes Beispiel dafür ist ein internes Auswahlverfahren für Kandidat:innen von PE-Programmen bei der Porsche Holding: Für die Besetzung von Führungspositionen haben wir das gesamte interne Auswahlprocedere verändert:
Anfangs führten Nominierungen durch Führungskräfte zu einem geringen Frauenanteil. Erst durch die Einführung von Selbstnominierungen und gezieltem aktiven Ansprechen durch Führungskräfte und HR stieg der Frauenanteil in den Programmen deutlich. Heute liegt er bei 50/50.
Ein aktuelles externes Beispiel für die Bedeutung von sichtbaren Vorbildern ist für Frau Breitwieser-Wunderl ein Social-Media-Beitrag einer Schweizer Pilotin: In einem Beitrag erzählt sie, dass sie mit 15 durch den Vortrag einer anderen Pilotin inspiriert wurde – ein prägendes Erlebnis, das ihre Berufswahl bestimmte. „Genau solche Role Models seien essenziell für junge Frauen und Mädchen, um neue Wege zu sehen und zu gehen“, präzisiert Frau Breitwieser-Wunderl.
Frau Breitwieser Wunderl hat eine Rolemodel-Kampagne initiiert, das weibliche Führungskräfte in der Porsche Holding sichtbarer machen soll – insbesondere jene, die bereits erfolgreiche Karrieren im Unternehmen durchlaufen haben, aber öffentlich wenig präsent sind. Obwohl die oberste Führungsebene noch nicht 50:50 ist, wird Diversität im Unternehmen bereits aktiv gelebt.
Eine neue Initiative namens „Open Doors“ gibt Mitarbeitenden die Möglichkeit, sich unkompliziert mit Top-Führungskräften auszutauschen. Ziel ist es, Berührungsängste abzubauen, Vorbilder greifbar zu machen und persönliche Einblicke in Führungskarrieren zu ermöglichen – ganz niederschwellig und wirkungsvoll. Besonders junge KollegInnen sollen ermutigt werden, Fragen zu stellen: „Wie hat die das geschafft, wie ist die da hinkommen und auch wie geht’s ihr damit“, meint Frau Breitwieser-Wunderl.
Wie weit dringen Ihre Initiativen zu Empowerment durch das gesamte Haus? Wie ist die Beteiligung in anderen Bereichen?
Die gezielte Förderung von Frauen im Unternehmen begann 2018 mit der Schaffung einer eigenen Stelle für Diversität. Seitdem wurden kontinuierlich Maßnahmen aufgebaut, die nun – „nach sieben Jahren – erste deutliche Erfolge zeigen. Dies entspricht auch der allgemeinen Erfahrung, dass Diversity-Programme rund sechs bis acht Jahre brauchen, um nachhaltig Wirkung zu entfalten“, erklärt Frau Breitwieser-Wunderl.
Ein zentraler Erfolgsfaktor war die Einführung einer Frauenquote, die als Katalysator diente. Auch wenn sie „kein Allheilmittel“ ist, wie Frau Breitwieser-Wunderl betont, und langfristig entfallen soll, hat sie den nötigen Druck erzeugt, um Veränderung anzustoßen. Vor ihrer Einführung waren qualifizierte Frauen kaum in Auswahlverfahren präsent – sie wurden schlicht nicht wahrgenommen – nicht aus Absicht, sondern weil Führungskräfte in großen Organisationen gar nicht alle Potenzialträgerinnen kennen können. Daher sieht sie vor allem HR und Business Partner in der Verantwortung, Talente zu erkennen, sichtbar zu machen und zu fördern. Heute ist es selbstverständlich, dass gleich qualifizierte Frauen in Auswahlrunden vertreten sind, wodurch sie realistische Chancen auf Führungspositionen haben.
Im Laufe der Zeit hat sich das Bewusstsein in der Organisation gewandelt. Während anfangs HR aktiv Frauen „auf das Radar“ brachte, achten Führungskräfte mittlerweile eigenständig auf ihre weiblichen Talente und bringen diese auch aktiv in Nachfolge- und Entwicklungsgespräche ein. Teilweise ist sogar eine Art interner Wettbewerb entstanden, wer die meisten Frauen für Führungsrollen nominieren kann.
Auch strukturell hat sich viel verändert: Teilzeitführung ist möglich, Rückkehr nach Elternzeit wird durch Interimsmanagement erleichtert, und es entstehen neue Arbeitsmodelle. Das zeigt, dass Diversität inzwischen nicht nur ein theoretisches Ziel, sondern gelebte Realität im Unternehmen ist. Besonders bemerkenswert ist, dass junge Frauen diese Fortschritte bereits als selbstverständlich empfinden – obwohl sie das Ergebnis jahrelanger, intensiver Arbeit sind.
Ein wichtiger Paradigmenwechsel bestand darin, Diversity nicht als Einzelaufgabe zu sehen, sondern als Führungsverantwortung aller. Das Motto lautet: „Jede Führungskraft ist auch Diversity Manager. Damit ist das Thema breiter verankert und nachhaltiger wirksam“, sagt Frau Breitwieser-Wunderl.
Der Kulturwandel wird als langfristiger Prozess verstanden – ein Marathon, kein Sprint. Die Umsetzung basiert auf einem tiefen Verständnis für die Organisationsstruktur und -kultur sowie gezielter Veränderungsarbeit, z. B. durch „Unconscious-Bias-Trainings“. Durch die gestiegene Sichtbarkeit von Frauen in Führung verändert sich auch die Unternehmenskultur Schritt für Schritt – langsam, aber spürbar.
Wie merken Sie den Kulturwandel durch Frauen in Führung?
Ein zentrales Thema des Gesprächs ist die Beobachtung, wie Frauen in Führungspositionen das Unternehmen prägen und verändern – insbesondere dann, wenn sie langfristig Verantwortung tragen. Ein Beispiel dafür ist die Geschäftsführerin in China, die nicht nur das Geschäft entscheidend mitgestaltet hat, sondern auch einen Frauenanteil von über 25 % in Führungspositionen aufgebaut hat. Auch eine andere Kollegin, die lange Jahre in Rumänien Geschäftsführerin war und nun seit mehreren Jahren Geschäftsführerin in Spanien ist, hat aktiv zur Förderung von Frauen beigetragen und darauf geachtet, dass Geschlechterparität im Unternehmen stärker umgesetzt wird.
Es wird deutlich, dass Frauen Führung oft anders gestalten. Die Herausforderungen im Tagesgeschäft seien zwar für alle gleich, unabhängig vom Geschlecht, doch der Umgang damit unterscheide sich teils. Frauen gelten als offener, ehrlicher im Umgang mit Problemen und oft auch als resilienter. Diese Eigenschaften werden als große Stärken erlebt.
Ein weiterer Punkt ist die Unternehmenskultur in frauengeführten Teams: In Trainings und Workshops fällt auf, dass unter Frauen sehr schnell ein hierarchiefreier, offener Raum entsteht, in dem ein Austausch auf Augenhöhe möglich ist – unabhängig vom Status. Männer hingegen tendieren eher dazu, sich zunächst über Rollen und Status zu positionieren, bevor ein echter Austausch beginnt. Diese Beobachtung zeigt, wie unterschiedlich soziale Dynamiken verlaufen können – das bietet Potenzial für neue Formate und Perspektivwechsel.
Um diese Unterschiede und Stärken gemeinsam weiterzuentwickeln, wurde ein internationales Frauennetzwerk im Unternehmen gegründet. Dort treffen sich regelmäßig weibliche Führungskräfte, insbesondere Geschäftsführerinnen, zum Austausch über Herausforderungen und Erfahrungen. Besonders wichtig war dabei von Anfang an, auch männliche Führungskräfte einzubinden. Denn das Ziel sei nicht, sich als Frauengruppe abzukapseln, sondern die Organisation gemeinsam zu verändern.
Im Herbst sollen neue gemischte Formate starten, in denen männliche und weibliche GeschäftsführerInnen gezielt zusammenkommen, um über Führungsverhalten, Herausforderungen und unterschiedliche Perspektiven zu diskutieren. Der Fokus liegt dabei auf dem gegenseitigen Lernen und dem bewussten Perspektivwechsel – nicht nur zur Förderung von Frauen, sondern zur Weiterentwicklung der gesamten Unternehmenskultur.
In unserem Gespräch betont Frau Breitwieser-Wunderl, wie wertvoll gemischte Führungsformate sind, in denen Männer und Frauen gemeinsam an Führungsthemen arbeiten. Dabei sollen nicht die Unterschiede im Vordergrund stehen, sondern das gemeinsame Verständnis von „guter Führung“ – unter dem Titel „One Leadership“. Es geht darum, Perspektiven auszutauschen, zuzuhören und auch das eigene Ego gelegentlich zurückzunehmen.
Ein zentrales Thema ist das oft unbewusste Ungleichgewicht, das Frauen in männlich dominierten Führungskreisen spüren – etwa durch erhöhten Energieaufwand oder das Gefühl, immer “auswärts zu spielen”. Männern sei dieses Ungleichgewicht oft nicht bewusst. Formate wie die „Innen-Kreis/Außen-Kreis-Methode“ oder das bewusste Einladen von Männern in reine Frauenzirkel helfen dabei, dieses Empfinden erlebbar zu machen.
Besonders jüngere Führungskräfte bringen laut ihrer Beobachtung ein stärkeres Bewusstsein für Diversität und Chancengleichheit mit. Dennoch zeigen sich Unterschiede in der Sozialisierung, gerade bei der mittleren Führungsebene, die sich oft schnell an bestehende männlich geprägte Strukturen anpasst. Deshalb braucht es gezielte Impulse und Vorbilder, um Veränderung nachhaltig zu verankern.
Ihr Stresstipp:
Frau Breitwieser-Wunderl betont, wie wichtig persönlicher Ausgleich für ihre Resilienz und Führungsstärke ist. Seit vielen Jahren praktiziert sie Yoga, insbesondere Atemtechniken helfen ihr dabei, mental in Balance zu bleiben. Sie hat über die Jahre verschiedene Tools erlernt – etwa bewusstes Verlassen des Raums, Spaziergänge an der frischen Luft und das Priorisieren von Aufgaben – um in stressigen Situationen Ruhe zu bewahren.
Sie spricht auch über die Notwendigkeit, sich mit Geduld und Gelassenheit den Gegebenheiten eines großen, regulierten Unternehmens anzupassen. Ihr Fokus liegt darauf, sinnorientiert zu arbeiten und den eigenen Impact nicht aus dem Blick zu verlieren – auch wenn manche Dinge langsamer vorangehen.
Ein zentrales Bild ist ihre Metapher von der „vollen Tasse“: Nur wer auf sich selbst achtet, kann auch für andere da sein. Diesen achtsamen Umgang mit der eigenen Energie gibt sie besonders an junge Frauen weiter, verbunden mit der Ermutigung, sich selbst nicht zu vernachlässigen.
Fotocredit: Amir Kaljikovic